Restaurierung alter Flügel - Klangveränderung?

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    • Restaurierung alter Flügel - Klangveränderung?

      Hallo!
      Ich hab mal eine Frage. Mich würde es "einfach so" interessieren.
      Ich hatte noch nie Gelegenheit auf einem alten Flügel (der z. B. zwischen 1850 und 1900 erbaut wurde) zu spielen - allerdings meine ich ein Instrument, das vollständig restauriert wurde.
      Ich besitze einen Gebrüder Stingl Flügel, Bj.1927. Ich liebe diesen warmen, angenehmen, nostalgischen, weichen Klang! Manchmal fühle ich mich beinahe zeitversetzt, wenn ich den darauf gespielten Melodien lausche....
      Spiele ich dann zur Abwechslung mal auf meinem neuen Pianino, so ist ein sehr großer Unterschied (natürlich auch im Anschlag,....) - was den Klang betrifft.
      Was ist, wenn man einen alten Flügel mal vollständig restauriert (neue Saiten, Hammerköpfe, evtl.neue Tasten, neuer Resonanzboden, neue Lackierung, ....). Bleibt der Klang "von früher" erhalten oder meint man dann, nach der Restaurierung, auf einem "neuen" Instrument zu spielen, wenn man die Töne hört?
      Dass eine Veränderung da sein muss, ist mir sehr wohl klar.
      Aber ist das Holz irgendwie "eingeschwungen", sodass ein "alter" Klang erhalten bleibt, oder klingt das Instrument nach einer Restaurierung wie ein neues Klavier? (mit "modernem" Klang, wenn man so sagen könnte).
      Danke schon mal für die Antwort!
      Liebe Grüße, Ilse

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von ilseklavier () aus folgendem Grund: Wollte noch was ergänzen....

    • Nun ja, ein Wiener Flügel von 1927 ist jetzt natürlich kein historisches Instrument, trotzdem ist der Klang eines Flügels mit Wiener Mechanik ein anderer als der eines Flügel mit englischer Mechanik - ganz unabhängig ob es sich nun dabei um historische Instrumente vor 1860 handelt, oder um Instrumente neuerer Bauart.

      Was den originalen Klang anbelangt: ein historisches Instrument welches sich noch im Originalzustand befindet, klingt natürlich nicht mehr wie es einst geklungen hat. Wenn man ihm allerdings moderne Teile einbaut wird er auch nicht mehr so klingen wie einst - hier ist großes Wissen und Geschick des Restarators von Nöten, um ein historisches Instrument wieder den Klang zu verleihen den es einst hatten.

      Einen Resonanzboden eines historischen Instrumentes zu erneuern wäre ein unsäglicher Aufwand herauszufinden wie alt das Holz war als es verbaut wurde....das müßt dann anhand von Computertechnologie alles ermittelt werden, um einen solchen Resonanzboden nachzubauen - hier wird der alte Resonanzboden in der Regel in ein Wasserbad gebadet bis er sich in seine Einzelteile zerlegt, und dann wieder zusammenleimt....man kann ihn allerdings auch spanen, geht schneller, hat klanglich keine negativen Auswirkungen - sieht bloß dann häßlich aus wenn es nicht gelingt den Farbton anzupassen. Wichtig beim Resonanzboden ist daß der Stegdruck wieder stimmt welchen das Instrument einst hatte. (hab kürzlich in einem anderen Forum gelesen, daß ein Kollege beim historischen Instrument den Stegdruck vergessen hatte, und das Instrument ansonsten nun fertig ist - schwerer Kardinalfehler, hilft nur noch "alles noch mal von vorn" - jegliches rumgefummel da im nach hinein da Druck rein zu bekommen, führt zu nichts Gutem)


      Viele Grüße

      Henry
    • "......trotzdem ist der Klang eines Flügels mit Wiener Mechanik ein anderer als der eines Flügel mit englischer Mechanik "

      .....das hier hast du mir geschrieben, lieber Henry.
      Worin unterscheidet sich denn der Klang, lässt sich das irgendwie beschreiben?

      ....und: ab welchem Zeitraum spricht man den von "historischen Instrumenten", wie alt müssen die etwa sein, dass man sie so bezeichnet?

      Danke übrigens wieder für deine ausführliche Antwort!
      Es freut mich, wenn ich mein Wissen zum Thema "Klavier" immer wieder erweitern kann.
      Liebe Grüße, Ilse
    • Beschreiben lassen sich die Klangunterschiede so rein objektiv nicht wirklich. Es gibt ja so dämliche Bezeichnungen "es klingt nussig, oder mandelig...." ein jeder verbindet etwas anderes mit dem Klang. Bei einzelnen Instrumenten könnt man da schon präziser werden, wie zum Beispiel als ich einen 250iger Försterflügel von 1880 hatte - dieser hatte zum Beispiel einen sehr dominanten Baß so wie einen dünnen Diskant. Aber wie gesagt, man kann es nicht globalisieren. Jetzt könnt ich ja sagen "Wiener Flügel sind lieblicher im Ton" - vielleicht generell schon, aber ich hab auch schon jede Menge Kantorenklöppel erlebt, die klangen alles andere als lieblich.

      Viele Grüße

      Henry
    • Henry schrieb:

      Nun ja, ein Wiener Flügel von 1927 ist jetzt natürlich kein historisches Instrument, trotzdem ist der Klang eines Flügels mit Wiener Mechanik ein anderer als der eines Flügel mit englischer Mechanik - ganz unabhängig ob es sich nun dabei um historische Instrumente vor 1860 handelt, oder um Instrumente neuerer Bauart.


      da möchte ich noch was hinzufügen. Unter Restauration versteht man, einem historischem Instrument so gut wie möglich alle alten Teile beizubehalten, restaurieren oder mit alten Teilen eines gleichen Instrument zu versehen. Ich kenne eine Fall aus Salzburg , da wurde eine Sammlung total "renoviert" d.h. mit neuen nachgemachten Teile bestückt. Der Besitzer war sehr stolz darauf, unter Liebhaber und Musiker sind solche Instrumente wenig Wert.
    • Danke für deine Antwort!
      Kann leicht sein, dass ich mich demnächst wieder mit der einen oder anderen Frage zum Thema "Klavier" im Forum melde!
      Finde ich super, wenn man sein Wissen erweitern kann und man von Fachleuten einen guten Ratschlag bzw. eine interessante Meinung zu hören (lesen) bekommt.
      Viele Grüße ins schöne Deutschland!
      Ilse
    • destenay schrieb:


      Unter Restauration versteht man, einem historischem Instrument so gut wie möglich alle alten Teile beizubehalten, restaurieren oder mit alten Teilen eines gleichen Instrument zu versehen.


      Das ist tatsächlich eine Streitfrage - Es gibt Restauratoren welche darauf beharren daß Instrument im Originalzustand möglichst zu belassen, da es sonst an Wert verliere, andere wiederum sehen keine Probleme darin einen historisches Instrument mit neuen Teilen alter Herstellungspraktiken zu überholen.
      Ich sag einfach mal so - die alten Teile sind nun mal zum Teil verzeitet - eine 200 Jahre alte Saite kann nimmer gut klingen, ebensowenig wie ein 200 Jahre alter Hammerkopf.

      Viele Grüße

      Henry
    • destenay schrieb:

      wie erkennt ein Laie, dass die Saiten nach alter Technik hergestellt wurden ?


      Gar nicht. Ich sag mal so, es gibt für historische Instrumente verschiedene Sorten Paoello Saiten, diese sind im Glanze etwas matter als zum Beispiel Röslausaitendraht - das vermag allerdings ein Laie kaum zu erkennen. Ein Laie muß da leider darauf vertrauen daß er an einen seriösen Klavierbauer geraten ist.

      Viele Grüße

      Henry
    • destenay, du schreibst:
      " Ich kenne eine Fall aus Salzburg , da wurde eine Sammlung total "renoviert" d.h. mit neuen nachgemachten Teile bestückt. Der Besitzer war sehr stolz darauf, unter Liebhaber und Musiker sind solche Instrumente wenig Wert."

      Dazu fällt mir folgendes ein: Im Internet wurde mal ein Gebrüder Stingl Stutzflügel, Bj.1879, zum Verkauf angeboten. Er war vollständig restauriert, hatte neue Tasten, wurde intoniert, reguliert, gestimmt, hatte neue Hammerköpfe, Englische Mechanik, eine neue seidenmatte Lackiereung,.... Er war relativ günstig (ca. 3500,-- Euro). Der Stutzflügel war aber monatelang zum Verkauf angeboten, aber keiner wollte ihn haben.
      Ich fragte mich immer warum..... (ich überlegte auch, ob ich ihn mir ansehen sollte, aber es war doch 300km entfernt, das war zu weit weg).Vielleicht war der Grund dafür, dass ihn keiner wollte, wie du obenstehend (dein Fall aus Salzburg) beschrieben hast.....

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von ilseklavier () aus folgendem Grund: Hab vergessen, dass dieser Flügel um 3500,-- Euro eine "Englische Mechanik" hatte....

    • Es kauft heute kaum jemand noch ein Flügel mit Wiener Mechanik, die Mechanik ist im Gegensatz zur englischen Mechanik mangelhaft. Jedoch ist ein solcher Flügel durchaus spielbar, vielleicht nicht für jede Literatur, aber für Mozart langt er. Hier sind die Vorzüge auch der sehr warme Klang und der Obertonreichtum.

      Viele Grüße

      Henry
    • Henry schrieb:


      Das ist tatsächlich eine Streitfrage - Es gibt Restauratoren welche darauf beharren daß Instrument im Originalzustand möglichst zu belassen, da es sonst an Wert verliere, andere wiederum sehen keine Probleme darin einen historisches Instrument mit neuen Teilen alter Herstellungspraktiken zu überholen.

      der Unterschied zwischen restaurieren und renovieren ist doch schon sprachlich deutlich genug ;)
    • der Unterschied zwischen restaurieren und renovieren ist doch schon sprachlich deutlich genug ;)[/quote]

      Es ist auch ein rechtlicher Unterschied ob ein Klavier restauriert oder überholt bzw. renoviert (erneuert) wurde. Da bei einer Restauration die Originalteile beibehalten werden, ist es schwierig zu bemängeln daß vielleicht der Resonanzboden und der Steg Risse aufweisen oder aufgrund loser Wirbel keine Stimmhaltung erzielt werden kann. Das Problem dabei ist daß im Grunde genommen jeder Laie Klaviere restaurieren darf.
      Bei einer Überholung hingegen so wie bei einer Erneuerung hat der Kunde einen gesetzlichen Gewährleistungsanspruch.

      Viele Grüße

      Henry


      Anmerkung : Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes dar und ersetzt diese auch nicht. Dieser Beitrag ist die persönliche Meinung des Verfassers.
    • Henry schrieb:

      Es kauft heute kaum jemand noch ein Flügel mit Wiener Mechanik, die Mechanik ist im Gegensatz zur englischen Mechanik mangelhaft. Jedoch ist ein solcher Flügel durchaus spielbar, vielleicht nicht für jede Literatur, aber für Mozart langt er. Hier sind die Vorzüge auch der sehr warme Klang und der Obertonreichtum.

      Viele Grüße

      Henry


      Henry, da bist Du aber nicht mehr auf dem neuesten Stand der Dinge. Ich kenne etliche Klavierrestauratoren, vor allem in Österreich. Da höre ich wunderbares, selten wurden so viele Wienerflügel restauriert und weltweit verkauft wie in den letzten Jahren, die Auftragsbücher sind voll, Käufer Pianisten, Musikliebhaber und öffentliche Institutionen.
      Eine kleine Anekdote, Cyprien Katsaris ein Liebhaber historischer Flüge, kam nach Wien um bei einem Freund von mir, sich ein Flügel für ein Konzert in Wien auszusuchen.
      Er hatte sich ein Wienerflügel ausgesucht und probte einen ganzen Tag lang. Er schimpfte, fluchte ( dies will ich nicht wiedergeben ) und schrie. Als er beendet war, stand er auf und strahlte :" das war ein wunderbarer Tag mit diesem Flügel, ich bin glücklich , was für ein herrliches Instrument, den nehme ich, wir haben uns gegenseitig akzeptiert."

      Bei einem Gespräch mit Demus, kamen wir auf meinem Ehrbar Konzertflügel, er fragte mich ob dieser Flügel eine englische Mechanik hat. Als er hörte, dass dies einer mit Wienermechanik sei, erwähnte er, dass dies wunderbare Instrumente seien. Meine Aussage, man höre immer schlechtes von diesen Wienerflügel kam seine Antwort: " diejenigen die so was sagen , können auch keinen Steinway spielen." :thumbsup:

      Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von destenay ()

    • Nun ja Destenay, es ist schon möglich daß ich da nimmer auf den neuesten Stand bin. Es kommt ja die Sehnsucht auch nach den alten Klängen wieder auf (war ja auch ganz überrascht daß es wieder Marschall Röhrenverstärker gibt). Ich war ja immer der welcher zum Kunden sagte; einen Flügel mit Wiener Mechanik zu überholen lohnt nicht - im Gegensatz zum modernen Flügel mit englischer Mechanik, stößt man mit einem solchen Instrument einfach mal spieltechnisch an seine Grenzen.
      Aber ich hab hier mal ein Beispiel eines Wieners so vom Klang her - nun ja, mir persönlich wäre er im Diskant ein wenig zu "klimperig":

      Viele Grüße

      Henry
    • Ich freue mich sehr, wenn ich Positives über Flügel mit Wiener Mechanik zu hören bekomme!
      Ich hab`ja selbst einen.
      Danke auch für dieses Video.
      Vielleicht kurz ein paar Worte, die Wiener Mechanik betreffend:
      eine Bekannte sagte mir, sie würde mir ihren Flügel schenken. Ich wurde gleich neugierig! Ich sah mir das Instrument an, spielte darauf, wusste aber nicht, ob ich ihn nehmen soll..... (Investitionen, Zustand,....??)
      Also holte ich mir einen Klavierexperten und bat ihn um Rat.
      Er meinte nach der Begutachtung: "Unbedingt nehmen!" Der Zustand dieses Gebrüder Stingl Stutzflügels (1927) war sehr gut, er war kaum bespielt, der Klang so schön.
      Der Klavierfachnmann meinte:"Nicht jeder kann gut auf einem Flügel mit Wiener Mechanik spielen, aber man kann das durchaus lernen und hat dann Freude damit!" (auch wenn nicht alle Stücke darauf spielbar sind).
      Ich bin jedenfalls Hobbypianistin und habe ja als Alternative noch zwei andere Klaviere daheim (neues Pianino, Digitalpiano).
      Ich spiele sehr gerne auf meinem Stingl-Flügel, ich liebe den Klang und habe mich bereits an den etwas anderen Anschlag gewöhnt.
      Meinem Lehrer erzählte ich, dass ich einen Flügel mit Wiener Mechanik bekomme. Er meinte, das passt natürlich,(den Flügel unbedingt nehmen) - er selbst lernte auf einem Flügel mit Wiener Mechanik.
      Ich denke aber, wenn ich nur ein einziges Klavier hätte, wäre es schon besser, eines mit Englischer Mechanik zu haben.
      Aber in meinem Fall habe ich mit diesem Flügel viel Freude!
    • Ja Ilse, ich kann das absolut nachvollziehen - die meisten Kollegen hassen Klaviere mit Oberdämpfungsmechanik - ich mag sie, da de Anschlag dem Flügel mit englischer Mechanik am nähesten ist. Das ich die Wiener Mechanik ned mag, ist rein subjektiv...ich spiele eben gern sehr schnelle Stücke - da macht so eine Wiener Mechanik nimmer so mit wie ich will ;)

      Viele Grüße

      Henry